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(4. Juni 2014, Brunhild Schmelting)


„Es ist der Geist, der edlere und bessere Menschen auf diesem Erdenrund zusammenhält und den keine Zeit zerstören kann, dieser ist es, der jetzt zu Ihnen spricht …”, schreibt Ludwig van Beethoven an die 19-jährige Maximiliane von Brentano, der er seine Sonate Nr. 30 in E-Dur op. 109 widmet. Dieses Werk leitet die große, vielschichtige Trias ein, mit der der bereits völlig taube Komponist sein gewaltiges Klaviersonaten-Werk krönt und abschließt.

Gespannt sah das Konzertpublikum nun in der Historischen Stadthalle, Wuppertal, den Interpretationen von Krystian Zimerman entgegen, der für seine akribische Durchdringung und Nachschöpfung von Kompositionen bekannt ist, für die er sehr viel Zeit aufwendet. Um hier seine künstlerische Intuition und Kennerschaft einzubringen, auch sein Wissen um die klanglichen und technischen Möglichkeiten des Klaviers anzuwenden und  zu vermitteln, gibt dieser Ausnahmepianist seit Jahren nur noch 50 Konzerte pro Saison, was er selbst als nicht kostendeckend bezeichnet. Auch ist es ihm ein besonderes Anliegen, sein eigenes Instrument auf Konzertreisen mitzunehmen, mit dessen Spektrum  er vertraut ist, dass sich die klangliche Sublimität und Dichte seiner Gestaltung so auch dem Publikum erschließt.

So zogen das ätherische Klangspiel der Vivace-Takte im 1. Satz und die mit geradezu überschwänglichem Gefühl geladene Melodiephrase des anschließenden “Adagio espressivo” die Zuhörer sogleich in den Bann. Auch die  Arpeggien und Passagen, die den Seitengedanken  umspielen, wurden hier expressiv, mit großem Ton dargestellt. Die Faszination des Publikums, so geweckt, begleitete den gesamten Vortrag dieses ebenso kontrastreichen wie vielschichtigen Werks, was neben dem unvergleichlichen musikalischen Genuss  ein hohes Maß an Konzentration forderte.

Auch die folgende Sonate Nr. 31 in As-Dur op. 110 forderte vom Zuhörer große Aufmerksamkeit und Hingabe. Dieses Werk trägt keine Widmung und ist möglicherweise, ähnlich wie das spätere Streichquartett in lydischer Tonart, als Dankgesang eines Genesenden aufzufassen.

Denn Beethoven hatte in dieser Schaffensperiode unter rheumatischem Fieber und einer Gelbsucht zu leiden, und es ist denkbar, dass die in der Fuge und im “Arioso” eingezeichneten Worte “perdendo le forze, dolente” und “poi a poi di nuovo vivente” auf diese Erkrankungen und ihre Überwindung hinweisen. Eine elegische Stimmung kennzeichnet zunächst dieses Werk; sie verdüstert sich im “Adagio” zu schmerzlicher Trauer, die jedoch am Ende durch einen begeisterten Gefühlsaufschwung überwunden wird. Alle diese von unterschiedlichster  Emotionalität  erfüllten Klangwelten wurden auch hier von Krystian Zimerman stringent und voller Wärme dargeboten.

Den dramatischen Schlusspunkt setzte sodann die  letzte große Sonate Nr. 32 in c-Moll op. 111. Ihre zwei ebenso unvereinbaren wie einander bedingenden Sätze, die Hans von Bülow als “Sansara” und “Nirwana” bezeichnet hat, bilden das Nonplusultra der Sonatenkunst überhaupt. Und wenn Beethoven auf die Frage Anton Schindlers nach einem dritten Satz entgegnete, er habe wegen der Arbeit an seiner neunten Sinfonie keine Zeit dazu, so war dies pure Ironie angesichts einer törichten Frage.

Doch  zurück zur sublimen “Nachschöpfung” des Interpreten, die hier  bewegenden Ausdruck fand.  Jetzt war ganz deutlich zu spüren, wie dankbar das Publikum die unterschiedlichsten Farben und Formen, feinste Melismatik und funkelnde Expressivität dieses hinreißenden, so kongenial gestalteten Opus aufnahm. Begeisterter Applaus, Bravos und stehend Ovationen  dankten Krystian Zimerman für einen sehr bewegenden Abend.

Einen  weiteren Dank an diesen wunderbaren Interpreten stellte der “Preis des Klavier-Festivals Ruhr” dar,  der Krystian Zimerman im Rahmen dieses Konzerts von Intendant Franz-Xaver Ohnesorg überreicht wurde. Dieser seit 1998 alljährlich verliehene Ehrenpreis wird durch die Stahlplastik “Diapason” (“Oktave”) des Düsseldorfer Bildhauers Friederich Werthmann symbolisiert. Materiell damit verbunden ist ein Stipendium, das der Geehrte an einen jungen Pianisten seiner Wahl vergeben kann. Der Stipendiat erhält daraufhin die Einladung zu einem Debüt-Konzert im Jahr 2014.

Befremdlich an diesem Abend war jedoch, dass ein Teil des Publikums es vorzog, während des letzten Satzes von Opus 111 den Konzertsaal bereits in Scharen zu verlassen. Und selbst während der Preisverleihung hielt dieses Verhalten an: ein Affront gegen Krystian Zimerman  und alle, die seinen hochrangigen Interpretationen Aufmerksamkeit und Bewunderung zollten.

Spekulationen über die Gründe eines derart unangemessenen Betragens  anzustellen, erscheint müßig, doch sollte man bedenken, dass solche Usancen geeignet sind, dem Ansehen eines Stammpublikums zu schaden, das seit vielen Jahren dem Klavier-Festival Ruhr und seinen Künstlern mit großem Respekt begegnet.

 

Brunhild Schmelting

Source: http://www.klavierfestival.de

 
 
 
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